Sängerfesten und Liedtraditionen

Die Unabhängigkeitsbewegungen der drei baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen, die unter dem Namen der „Singenden Revolution“ bekannt geworden ist, konnte auf eine lange Tradition und Kultur des Liedes als Ausdruck der nationalen kulturellen Identität aufbauen.

Seit 1869 finden baltische Liederfest in unterschiedlichen Abständen in den drei Ländern statt: das erste estnische Liederfest 1869 in Tartu (Dorpat);  1873 in Lettland das erste Allgemeine lettische Liederfest; 1924 schließlich in Litauen mit seinem ersten nationalen Liederfest.

Estnische Liederfeste

Johann Voldemar Jannsen begründete 1869 das Estnische Liederfest als das Land noch eine Province des russischen Zarenreichs war. Das Festival gilt gemeinhin als starker Ausdruck der estnischen Bewegung eines „Estnischen Nationalen Erwachens“. Es  entstand eine neue Tradition und seitdem findet bis heute alle fünf Jahre das Liederfest (seit 1896) in der Hauptstadt Tallinn statt.

1988 versammelten sich tausende Esten auf dem gelände des Tallinn Liederfestivals um gemeinsam patriotische Lieder zu singen. Diese Tradition wurde später als „Singende Revolution“ bekannt. Sie führte letztendlich zur Überwindung der Sowjetherrschaft.

Die früheste Erwähnung einer estnischen Gesangstradition findet sich bei dem dänischen Geschichtsschreiber und Autor Saxco Grammaticus Ende des 12. Jahrhunderts. Er erzählt von Estnischen Kriegern, die des Nachts sangen während sie auf Schlöacht gegen den Feind warteten. Diese Art des Singens, das sich auch in dem frühen Finnland fand war weit verbreitet unter den Esten bis ins 18.Jahrhundert als eher rythmische Volkslieder an deren Stelle traten.

Nach der Okkupation und dem Ende des 2. Weltkriegs versuchten die Sowjets die Festivals auch für ihre propagandistischen Zwecke zu nutzen und führten die Tradition fort. Sie stzten auch ausländisches und nicht-traditionelles Liedgut auf das Programm: Bei jedem der Festivals mussten Chöre sowohl die Nationalhymne der Sozialistischen Sowjetrepublik Estland, die der Sowjetuion als auch das kommunistische Kampflied der „Internationale“  singen. Die Festivals wurden aber auch zum Ort des anfänglich eher versteckten Protestes gegen die Unterdrückung durch die Sowjetunion, indem die Chöre außerhalb des offiziellen Programms traditionelle Lieder sangen, die die nationale Eigenständigkeit der Esten wie der Balten insgesamt besangen. 1988 schließlich führte der zum Ausdruck gebrachte demonstrative Gesang direkt in die „Singende evolution“.

Heute ist das Estnische Lieder Festival eines der größten AmateurChorkonzerte weltweit. 2004 nahmen rund 100000 Sängerinnen und Sänger an den Auftritten teil. Das letzte Festival fand im Juli 2014 statt. Inzwischen gibt es außerdem begleitende Jugendgesangsfestivals, die ebenfalls alle vier bis fünf Jahre stattfinden, zuletzt 2011. Das nächste ist für 2017 geplant.

Liederfeste in Lettland

Lettland ist Ort vieler  Volksmusikfeste. Das Dainų šventė (sinngemäß übersetzt heißt dies einfach "Liederfest"). Erstmals organisierte das lettische Staat ein solches Fest 1924 und veranstaltet es seitdem ebenfalls alle fünf Jahre. Damit soll die alte Tradition des Liederfestes lebendig gehalten werden.  In der Zeit der sowjetischen Okkupation erhielt es als Ort des versteckten protestes eine besondere Wirkung und war wie in Estland damit Träger des gewaltlosen Kampfes um Unabhängigkeit von der Okkupation der Sowjetunion. Währedn konfrontativer Situation in den Jahres des Protests und Demonstration Ende der achtziger Jahre drückten die Letten mithilfe tarditioneller Lieder ihren Wnsch und ihre Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit von jedweder Unterdrückung aus.

Lieder- und Tanzfeste in Litauen

Das Festival ist eines der größten Amateurgesangsfestes weltweit. Es zählt zu den wichtigsten Ereignissen im kulturellen und souialen Leben des Landes.

Die Tradition von Sängerfesten entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in vielen europäischen Ländern. Die ersten Schritte in Litauen wurden bereits 1864 mit Liedertagen in Dikli, einem kleinen Ort mit gerade Mal 500 Einwohnern. Während des traditionellen Theatersommerfestivals wurde von dem Pfarrer und Schriftsteller Juris Neikens das erste Liederfestival organisiert. Dies führte bereits im Sommer 1873 ersten großen kompletten Sängerfest in der Hauptstadt Riga. 1003 Sänger und 30 Orchestermusiker nahmen daran teil.

Nach der Okkupation Litauens durch die Rote Armee und der Eingliederung des Landes als Sozialistische Sowjetrepublik Litauens in die Sowjetunion wurden die Festivals wieder aufgenommen. Sie dienten auch hier vorrangig der sowjetischen Propaganda. In den 1980er Jahren dienten wie in den beiden anderen baltischen Ländern die Festivals der versteckten Protest gegen die Okkupation und Unterdrückung durch die kommunistische Herrschaft. Bis heute wird diese Tradition fortgesetzt, zuletzt im Juli 2013. Die großen Ereignisse finden intweder im Daugava Stadion oder auf der Großen Bühne des Mezaparks in Riga statt.

Aber auch außerhalb Litauens wurde die Festivaltradition in kleinerem Rahmen im Exil fortgesetzt. Nach dem Weltkrieg in den Lagern von Kriegsflüchtlingen und –vertriebenen in Westdeutschland, später dann in den großen litauischen Auswanderergemeinden in den USA, Kanada und in Australien. Das Lieder und Tanz Festival im Ausland, wie es genannt wird, findet aktuell alle vier Jahre abwechselnd in den USA und in Kanada statt.

Seit 1960 wird in Vilnius alle fünf Jahre ein spezielles Litauisches Jugend-Lieder- und Tanzfestival veranstaltet, zuletzt im Juli 2010. Das Nächste ist für 2015 geplant.

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Baltikum – Tafel 1

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