Mehr zum Atomkrieg aus Versehen

Ganz nah am Untergang

Erschreckend oft war die Welt nahe an einer nuklearen Katastrophe. Mehrmals haben nur persönliche Entscheidungen Einzelner - oft entgegen dem offiziellen Protokoll und politischen Beratern - die Situation gerettet. Keine Nation ist davor gefeit, dramatische Fehler zu begehen. Der Bericht der britischen Forschungsinstitution Chatham House betrachtet Vorfälle seit 1962 in den USA, Russland, Europa, Israel und in Kaschmir.Dem Bericht zufolge sind auch die Ursachender Beinahe-Katastrophen vielfältig.Missverständnisse, Fehlalarme, technische Defekte, verlegte Zündungscodes: Unzählige Male ist die Welt nur haarscharf an einer weiteren Atombombenkatastrophe vorbeigeschrammt. Nur in knapp einem Drittel der (13) Fälle spielte die Eskalation eines militärischen Konflikts eine entscheidende Rolle. Besonders bedrohlich: Laut dem Bericht des Chatham House sei die Gefahr eines nuklearen Unfalls in den vergangen Jahren sogar noch gestiegen.

Computer können irren, und zwar manchmal gründlich. Im Jahr 1960 zum Beispiel warnte der Computer des “North American Air Defense Command” (NORAD) mit 99,9 Prozent Sicherheit vor sowjetischen Raketen im Anflug. Doch nichts geschah. Es stellte sich heraus, dass das US-Frühwarnsysten im grönländischen Thule den aufgehenden Mond über Norwegen für Raketenschwärme aus Sibirien gehalten hatte.

Einer der wohl bekanntesten Fälle: Als die Kuba-Krise im Oktober 1962 auf ihrem Höhepunkt ist, warnen US-Kriegsschiffe vier sowjetische U-Boote mit Nuklearbewaffnung davor, man werde Wasserbomben testen. Die Nachricht erreicht die U-Boote jedoch nicht. Abgeschnitten von der Außenwelt und unter dem Eindruck eines Angriffs entscheidet einer der Befehlshaber unter der Meeresoberfläche, einen Nuklearsprengkopf zu zünden. Nur dank seines Stellvertreters wird der Atomkrieg abgewendet - dieser kann seinen Vorgesetzten umstimmen.

Bei einem Unfall wäre 1969 beinahe die amerikanische Ostküste durch zwei Wasserstoffbomben ausgelöscht worden als ein bewaffnetes Militärflugzeug verunglückte.

Eine Schlüsselrolle in den Verteidigungskonzepten beider Militärblöcke spielten die Raketenfrühwarnsysteme. Sie funktionierten aber nicht immer einwandfrei, wie die amerikanische Militärführung am 9. November 1979 feststellen musste. An einem Morgen meldete General William Odom, Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates, dem Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter, dass sich etwa 220 Nuklearraketen im Anflug auf die USA befänden. Minuten später meldete das System einen massiven Angriff mit über 2.000 sowjetischen Raketen. Da andere Teile des Frühwarnsystems diese Meldungen nicht bestätigten, konnten die Vorbereitungen für einen sofortigen amerikanischen Vergeltungsschlag gerade noch abgewendet werden.
Es stellte sich dann heraus, dass ein Techniker des NORAD, des Nordamerikanischen Luftverteidigungskommandos, versehentlich Daten ins Computersystem des US-Abwehrsystems eingespeist hatte, die einen atomaren Schlag der Sowjetunion simulieren sollten. Dies war nur eine von fünf Pannen innerhalb von acht Monaten in den Jahren 1979/1980.

Im September 1980 ließ ein Techniker in Arkansas versehentlich einen Schraubenschlüssel in einen Schacht fallen, was den Start einer Atomrakete auslöste - diese landete nahe einer Straße, detonierte aber nicht.

1983 kam es zu der vielleicht prekärsten internationalen Krise seit der Kuba-Krise: "Able Archer“. Able Archer 83 (engl. „tüchtiger Bogenschütze“) war eine europaweite NATO-Kommandostabsübung vom 7. bis 11. November 1983, die einen Atomkrieg simulierte. Der hohe Realitätsgrad, die strenge Geheimhaltung sowie das zu dieser Zeit besonders angespannte Verhältnis zwischen den USA und der UdSSR führten im Warschauer Pakt zu dem Verdacht, es handele sich bei der Übung um einen Deckmantel für einen tatsächlich unmittelbar bevorstehenden Nuklearschlag. Dies zog die Alarmierung konventioneller Streitkräfte und nuklearer Trägersysteme in Osteuropa nach sich. Able Archer 83 wurde später von Fachkommentatoren als eines der Ereignisse im Kalten Krieg eingestuft, die zu einem Atomkrieg hätten führen können.

Ein weiterer Fall spielte sich am 25. Januar 1995 ab. Norwegische Wissenschaftler feuerten eine Black-Brant-Rakete ab, um das Polarlicht in der Region von Spitzbergen zu erforschen. Sie warnten Moskau zwar vor, doch auch diese Nachricht erreichte nie den Empfänger. Die russischen Frühwarnsysteme schlugen Alarm - Russlands Präsident Boris Jelzin diskutierte bereits seine Reaktion mit der Militärführung als klar wurde, dass die vermeintliche Rakete bereits fernab russischen Territoriums explodiert war.

Im August 2007 wurden an der Minot Air Force Base sechs Cruise Missiles (Typ AGM-129 ACM) irrtümlicherweise mit montierten Nuklearsprengköpfen in einen B-52H-Bomber verladen und nach Barksdale ausgeflogen. Die Raketen wurden 36 Stunden lang nicht als vermisst gemeldet und waren in diesem Zeitraum nicht von den üblichen Sicherheitsmechanismen geschützt. Laut offiziellen Berichten war den Piloten nicht bewusst, dass sie Massenvernichtungswaffen transportierten. In Louisiana befanden sich die Nuklearwaffen mehrere Stunden lang ungesichert auf der Landebahn.

Quellen:
recentr.com
www.daserste.de
www.sueddeutsche.de
Wir wollen keinen Krieg - wordpress.com

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Kalter Krieg – Tafel 1

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