Mehr zur Friedens- und Bürgerrechtsbewegung in Ost und West

Ostblock während des Kalten Krieges

In den 1970er und 1980er Jahren traten in den osteuropäischen kommunistischen Staaten des Warschauer Paktes zunehmend verschiedene oppositionelle Gruppen in Erscheinung, die unter Berufung auf die KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975 die Durchsetzung der Menschen- und Bürgerrechte im damaligen Ostblock forderten.

Tschechoslowakei und Tschechische Republik

In der damaligen Tschechoslowakei wurde die Bürgerrechtsbewegung nach der gewaltsamen Niederschlagung des reformkommunisitischen Prager Frühlings durch die Rote Armee der UdSSR 1968 zunächst ausgeschaltet. Jedoch wurde 1977 von einer tschechoslowakischen Gruppe die Charta 77 veröffentlicht, die erneut Reformforderungen im Sinne der Bürgerrechtsbewegung formulierte. Einer der Sprecher der Charta 77 war der Schriftsteller Václav Havel, der nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks zum Staatspräsidenten Tschechiens gewählt wurde. Zu den weiteren Unterzeichnern gehörten unter anderem: Petr Pithart (Präsident des tschechischen Senats), Václav Malý (Weihbischof in Prag), Ludvík Vaculík, Autor des Manifestes der 2000 Worte und der Philosoph Milan Machovec die eine wichtige Rolle beim Prager Frühling spielten.

Charta 77 bezeichnet sowohl eine im Januar 1977 veröffentlichte Petition gegen die Menschenrechtsverletzungen des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei als auch die mit ihr verbundene Bürgerrechtsbewegung, die in den 1970er und 1980er Jahren zum Zentrum der Opposition wurde.

Ziel der Bewegung war der Dialog mit Vertretern von Politik und Staat. Sie äußerte sich zu verschiedenen gesellschaftlichen Problemen (Diskriminierung im Beruf, Reisefreiheit, Umweltfragen, Rechte der Gläubigen etc.) und forderte mehrmals Amnestie für politische Gefangene. Sie machte auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam, dokumentierte sie und bot Lösungsvorschläge an.

Die Charta leistete bis 1989 eine überragende Rolle darin, den Westen, aber auch die Tschechoslowaken selbst über die tatsächliche Situation im Land zu informieren und einen Raum für freie Diskussionen zu schaffen. Ihrem Einsatz und ihrer Reputation ist es auch zu verdanken, dass die Samtene Revolution 1989 friedlich verlief, viele ihrer Protagonisten erreichten danach hohe politische Ebenen im Staat.

1992 beendete die Charta 77 offiziell ihre Tätigkeit.

Polen

In Polen leitete 1980 die Gründung der unabhängigen Gewerkschaft Solidarność (1981 unter Kriegsrecht verboten, 1989 wieder zugelassen) den Anfang vom Untergang des dortigen kommunistischen Systems ein. Deren Vorsitzender Lech Wałęsa wurde 1990 zum polnischen Staatspräsidenten gewählt.

Die Gewerkschaft Solidarność entstand aus einer Streikbewegung von Arbeitern im Sommer 1980. Von Anfang an wurde die Arbeiterbewegung von regimekritischen Intellektuellen und weiten Teilen der katholischen Kirche, besonders durch Papst Johannes Paul II., unterstützt. Damit gelang eine Solidarität über Gesellschaftsgrenzen hinweg, die sich dann in einer Volksbewegung gegen das herrschende Regime wandte. Vor allem aus dem westlichen Ausland (USA und Westdeutschland) gab es große Unterstützung.

Lech Wałęsa war seit der offiziellen Gründung am 17. September 1980 Vorsitzender von Solidarność. Die staatliche Anerkennung wurde am 10. November 1980 durch die offizielle staatliche Registrierung besiegelt. Im Verlauf ihres Bestehens wurde die Gewerkschaft immer weiter politisiert. Die Solidarność wuchs immer weiter (zum Höchststand ca. 9,5 Mio. Mitglieder), auch viele Mitglieder der kommunistischen Partei PVAP wurden Mitglieder der freien Gewerkschaft.

Mit der Ausrufung des Kriegsrechts in Polen in der Nacht zum 13. Dezember 1981 wurden die führenden Köpfe der Gewerkschaft interniert und die Arbeit der Gewerkschaft selbst verboten. Somit konnte sie nur noch im Untergrund weiter existieren. 1982 wurde die Solidarność durch ein neues Gewerkschaftsgesetz endgültig verboten.

Ab August 1988 kam es zu Gesprächen zwischen der kommunistischen Führung und der noch verbotenen Untergrunds-Solidarność, die dann zu den Gesprächen am Runden Tisch führten. Erst am 5. April 1989 wurde die Solidarność wieder amtlich anerkannt.

Als Ergebnis eines Runden Tisches kam es am 4. Juni 1989 zu teilweise freien Wahlen, die von der Solidarność gewonnen wurden. Dennoch war die Sitzverteilung im Sejm schon am Runden Tisch ausgehandelt worden (65 % der Sitze für die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PVAP) und deren Blockparteien und 35 % für freie, oppositionelle Kandidaten). Das oppositionelle Bürgerkomitee forderte eine Beteiligung an der Regierung. Mit Tadeusz Mazowiecki stellte Solidarność den ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten nach dem Zweiten Weltkrieg, Schlüsselministerien blieben jedoch in den Händen der PVAP.

Durch das Aufkommen dieser Arbeiterbewegung, sowie Glasnost und Perestroika, kam es zur Wende in Polen und der politischen Loslösung aus dem von der Sowjetunion dominierten Ostblock. Im Dezember 1990 wurde Lech Wałęsa zum Staatspräsidenten gewählt.

DDR

Ende der 1970er Jahre entwickelte sich in der DDR eine unabhängige Friedensbewegung. Hauptgründe für ihre Entstehung waren die Stationierung von SS-20-Atomraketen in der DDR und von Pershing II in der BRD sowie die zunehmende Militarisierung der DDR-Gesellschaft. Vor allem innerhalb der evangelischen Kirche bilden sich Gruppen, die auch überregionale Aktionen planen und durchführen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die ab 1980 jährlich abgehaltenen Friedensdekaden und die Aktionen, die innerhalb der Offenen Arbeit der Kirche organisiert werden.

Im Gegensatz zu den früheren Aktivitäten der Opposition erreichte die Friedensbewegung Teile der unangepassten Jugend in der DDR. 1980 entwickelte der sächsische Jugendpfarrer Harald Bretschneider das Symbol der neuen Bewegung "Schwerter zu Pflugscharen". Schon bald trugen vor allem junge Friedensaktivisten im ganzen Land Aufnäher mit der symbolhaften Darstellung eines Mannes, der ein Schwert zu einer Pflugschar umschmiedet. Die Darstellung orientiert sich am Denkmal des sowjetischen Bildhauers Jewgenij Eutschetitsch das die Sowjetunion 1957 der UNO geschenkt hatte. Die DDR-Führung tat sich aus diesem Grund zunächst schwer, gegen das Zeichen vorzugehen.

Am 25. Januar 1982 verfassten zwei Systemkritiker, der Kommunist Robert Havemann und der evangelische Pfarrer Reiner Eppelmann, einen "Berliner Appell", in dem sie vier Fragen an die Regierung der DDR stellten, an denen sich das offizielle Friedensengagement des Staates messen lassen sollte:

  1. Sollten wir nicht auf die Produktion, den Verkauf und die Einfuhr von sogenanntem Kriegsspielzeug verzichten?
  2. Sollten wir nicht anstelle des Wehrkundeunterrichts an unseren Schulen einen Unterricht über Fragen des Friedens einführen?
  3. Sollten wir nicht anstelle des jetzigen Wehrersatzdienstes für Kriegsdienstverweigerer einen Sozialen Friedensdienst zulassen?
  4. Sollten wir nicht auf alle Demonstrationen militärischer Machtmittel in der Öffentlichkeit verzichten und unsere staatlichen Feiern stattdessen dazu benutzen, den Friedenswillen des Volkes kundzutun?

Obwohl die Mitglieder der unabhängigen Friedens- und Umweltbewegung ständig staatlichen Repressionen – von ständigen Personenkontrollen bis hin zu Verhaftungen, Hausdurchsuchungen und Ausweisungen – ausgesetzt waren, gelang es den verschiedenen Gruppen immer wieder, in der ganzen DDR große und kleine Aktionen durchzuführen. Dazu gehörten Flugblattverteilungen und Graffitis ebenso wie Solidaritätsgottesdienste für Inhaftierte und offene Demonstrationen.

Quellen: www.jugendopposition.de/index.php

Erste Ausstellungstafel zur KSZE
KSZE – Tafel 1

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