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Die britische Kolonialzeit 1878-1959

1878 wurde Zypern eine Art britisches Protektorat, 1914 annektierte Großbritannien die Insel. Im Friedensvertrag von Lausanne am Ende des griechisch-türkischen Kriegs (1919-1922) erkannte die Türkei die britische Annexion an und leistete formellen Verzicht auf Zypern. 1925 wurde Zypern Kronkolonie.
Seit der Jahrhundertwende verstärkte sich unter den griechischen Zyprioten der Wunsch nach Anschluss - Enosis - an Griechenland. Die Menschen hofften, dass die britische Regierung Zypern an das Mutterland abtreten würde. Aber die Briten glaubten, aus militärischen Gründen nicht auf Zypern verzichten zu können. 1931 schlug sich der Enosis-Wunsch zum ersten Mal sichtbar in größeren Unruhen nieder. Die Kolonialmacht unterdrückte diese und regierte die Insel bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs diktatorisch. Die griechische Regierung verhielt sich gegenüber dem griechisch-zypriotischen Wunsch nach Enosis äußerst zurückhaltend; die britische Schutzmacht sollte nicht verärgert werden. Im Zweiten Weltkrieg spielte Zypern keine Rolle, aber nach Ausbruch des Kalten Krieges und der Gründung der NATO erlangte Zypern als Royal-Air-Force-Stützpunkt für Atombomber und Ausgangspunkt für Spionageflüge große Bedeutung. Vor diesem Hintergrund stand für London fest, dass Zypern als Ganzes britische Basis bleiben müsse.

1950 hielt die orthodoxe Kirche Zyperns ein inoffizielles Plebiszit über die Enosis ab. Im Ergebnis stand eine überwältigende Mehrheit für die Vereinigung mit Griechenland, was aber von der britischen Regierung ignoriert wurde. Der neugewählte Erzbischof Zyperns, Makarios III., gab sich damit nicht zufrieden. Er zwang die Regierung Griechenlands mit der Drohung zum Handeln, den Fall Zyperns vor die UN zu bringen. Der britische Premierminister Anthony Eden stellte daraufhin fest, dass Zypern auch eine Angelegenheit der Türkei sei. London versuchte, die griechischen Ambitionen durch türkische zu neutralisieren, also die Mutterländer gegeneinander auszuspielen. Die Türkei reagierte umgehend auf die britische Offerte: Falls sich am Status von Zypern etwas ändere, sei der Friedensvertrag von Lausanne hinfällig, und Zypern müsse an die Türkei zurückgegeben werde. Durch das britische taktische Manöver wurde Ankara zum Mitspieler im Poker um Zypern; zugleich löste London mit dieser Taktik einen neuen griechisch-türkischen Konflikt aus. Aber Großbritannien betrieb seine divide et impera-Politik nicht nur gegenüber Athen und Ankara, sondern spielte nun auch die Volksgruppen auf Zypern gegeneinander aus.

1955 begann der Kampf der griechisch-zypriotischen Untergrundorganisation EOKA (Nationale Organisation zypriotischer Kämpfer) Politische Führer der EOKA war Makarios. Die türkischen Zyprioten misstrauten den Enosis-Bestrebungen, denn sie fürchteten, dass der Anschluss an Griechenland zu Diskriminierungen führen könnte. Sie wollten den Status quo aufrecht erhalten und wandten sich daher verstärkt Großbritannien zu. Dies gab der britischen Regierung die Möglichkeit, Inselgriechen gegen Inseltürken auszuspielen. Um eigene Kräfte zu sparen, stellte sie zur Bekämpfung der EOKA eine Polizeispezialeinheit aus türkischen Zyprioten auf, deren Einsatz zwangsläufig zur Konfrontation mit der EOKA führte. Mit britischer Duldung baute der türkische Generalstab ebenfalls eine bewaffnete Untergrundorganisation (seit 1961 die TMT, die türkisch-zypriotische Gegenorganisation zur EOKA) auf. Politische Führer war Rauf Denktas, seither der Repräsentant der türkischen Militärs auf Zypern. Die politischen Ziele der türkischen Seite wandelten sich während des Konflikts vom anfänglichen Wunsch nach Beibehaltung des Status quo zur Teilung der Insel, türkisch Taksim.

1958 kam es zu ersten Zusammenstößen zwischen der TMT und der EOKA. TMT-Anhänger ermordeten zwei türkisch-zypriotische Führer der linken Gewerkschaften und terrorisierten Mitglieder des linken Gewerkschaftsbundes. Ein von der türkischen Regierung inszenierter Anschlag auf das Pressebüro des türkischen Konsulats in Nikosia ließ die Unruhen in einem Maße eskalieren, dass von bürgerkriegsähnlichen Zuständen gesprochen werden darf. Griechenland und die Türkei drohten wegen des Zypern-Konfliktes in einen Krieg zu geraten. Die USA versuchten zu schlichten, und auch Makarios erklärte nun, dass er nicht unbedingt an der Enosis festhalte. Daraufhin wurden die Zürcher und Londoner Abkommen geschlossen, die am 16. August 1960 in die Unabhängigkeit Zyperns mündeten.

Entwicklung zwischen 1960 und 1974

Die Mehrheit der Inselgriechen und ihre Führung (also auch die Bevölkerungsmehrheit) fand sich 1960 in einem Staat wieder, dessen Gründung nicht ihren politischen Zielen entsprochen hatte. Der Enosis-Gedanke war bei Konservativen durchaus populär, und die neue Verfassung gewährte den Zyperntürken Rechte, die von den Inselgriechen als übertrieben und ungerechtfertigt wahrgenommen wurden.

Für die türkisch-zypriotische Bevölkerung bedeutete die staatliche Unabhängigkeit ebenfalls Abstriche von ursprünglichen Forderungen, wenn auch in geringerem Maße als auf der griechisch-zypriotischen Seite. Einerseits konnten die Bestrebungen nach Teilung (Taksim) nicht umgesetzt werden, auf der anderen Seite wurden ihre politischen Rechte in der neuen Verfassung klar festgelegt, und die Garantieverträge gewährleisteten den Schutz durch das türkische Mutterland.

Blutige Weihnachten 1963

Am 30. November 1963 unterbreitete Präsident Makarios ein 13-Punkte-Memorandum zur Verfassungsänderung, in dem unter anderem die Abschaffung des Vetorechts vorgeschlagen wurde. Die türkische Regierung wies diese Vorschläge zurück. In dieser politisch angespannten Lage kam es am 21. Dezember 1963 zu einem Massaker an türkischzyprischen Zivilisten durch zyperngriechische Polizeikräfte. Die blutigen Weihnachten 1963 bildeten den Auftakt für gewaltsame interkommunale Kämpfe, bei denen insgesamt 1.000 türkische und mindestens 200 griechische Zyprioten starben. Als Folge der Kämpfe und der Massaker flüchteten knapp 100.000 türkische Zyprer, vorrangig nach Großbritannien, was dazu führte, dass heute dort mehr türkische Zyprer leben als auf Zypern selbst. Auf griechischer Seite hingegen waren es 165.000, knapp 25 Prozent der Bewohner von 1974. 1.493 griechische und 502 türkischen Zyprioten gelten heute noch als vermisst.

Eine direkte militärische Konfrontation zwischen den NATO-Partnern Griechenland und Türkei war nun nicht mehr ausgeschlossen. Nach dem Waffenstillstand am 24. Dezember 1963 führte ein Beschluss des UN-Sicherheitsrates zur Aufstellung einer Friedenstruppe der Vereinten Nationen (United Nations Peacekeeping Force in Cyprus), und es kam zu einer weitgehenden Trennung der Volksgruppen. Die Hauptstadt Nikosia wurde durch die Einrichtung einer von UN-Truppen überwachten neutralen Zone („Grüne Linie“) geteilt, Straßen wie die traditionelle Ledrastraße wurden gesperrt. Es setzte eine erhebliche Abwanderung der türkisch-zypriotischen Bevölkerung in selbst gewählte Enklaven ein. Die Inseltürken sahen und sehen diese Entwicklung als gewaltsame Vertreibung an, die Inselgriechen beschreiben es als freiwillige Maßnahme. Es entwickelte sich in den Enklaven eine türkisch-zypriotische Verwaltung, und Forderungen nach einer vollkommenen Trennung beider Bevölkerungsgruppen wurden laut.

Der Konflikt bis zur türkischen Intervention

Die griechischen Zyprioten verhängten ein Wirtschaftsembargo und kontrollierten die Zufahrtswege zu den türkischen Enklaven. Dieses wurde aber auf Drängen der UN wieder aufgehoben. Die Lebensverhältnisse in den Enklaven waren ärmlich, und die meisten Bewohner lebten unter dem Existenzminimum, obwohl sie durch türkische Hilfslieferungen versorgt wurden. Nach dem Militärputsch in Griechenland im April 1967 wich Präsident Makarios endgültig von seiner Enosis-Überzeugung ab und propagierte die weitere Unabhängigkeit Zyperns. Die Junta in Athen verstärkte daraufhin die Unterstützung bewaffneter Anti-Makarios-Gruppen. Makarios hatte mit einer neutralen Haltung, einem Engagement bei den blockfreien Staaten, und offenen Sympathien für die Sowjetunion, keinen Rückhalt mehr in der westlichen Welt, so dass die Extremisten sich in ihrer Haltung bestärkt fühlten. Im November 1967 kam es erneut zu Zusammenstößen zwischen türkischen und griechischen Zyprioten.

Daraufhin wurde im Februar 1968 Präsident Makarios wiedergewählt. Im Juni 1968 wurden Verhandlungen unter anderem über politisches Mitspracherecht und Selbstverwaltung der Zyperntürken aufgenommen. Ein Abkommen zwischen den Volksgruppen führte zu einer Ruhephase im Konflikt bis 1974. Die Gespräche zwischen den Volksgruppen wurden von Rauf Denktaş auf der türkisch-zypriotischen Seite und Glafkos Klerides auf der griechisch-zypriotischen Seite geführt. Während dieser relativen Ruhe kehrte 1971 der einstige EOKA-Führer Grivas heimlich nach Zypern zurück, organisierte die EOKA (EOKA II oder EOKA-B) neu und begann einen Guerilla-Krieg gegen die Regierung Makarios.

1974: Besetzung des Insel-Nordens durch die Türkei

Am 15. Juli 1974 putschten Offiziere der Zyprischen Nationalgarde gegen die Regierung von Erzbischof Makarios III. und machten Nikos Sampson zum Präsidenten von Zypern. Ziel dieses Putsches war der Anschluss Zyperns (Enosis) an Griechenland unter eindeutiger Verletzung der Zürcher und Londoner Abkommen. Nachdem England ein gemeinsames Vorgehen der Garantiemächte abgelehnt hatte, intervenierte die Türkei am 20. Juli 1974 in der Operation Attila mit der Landung regulärer türkischer Truppen im Norden der Insel. Obwohl die griechische Militärjunta aufgrund eines drohenden Krieges mit der Türkei am 23. Juli 1974 stürzte und auch Sampson sein Amt niederlegte, entschied sich die Türkei am 14. August 1974 dazu, die Invasion auszuweiten, wobei insgesamt 37 Prozent der Insel besetzt wurden – ein Gebiet, auf dem bis dahin 70 Prozent des Bruttosozialproduktes Zyperns erwirtschaftet worden waren. Im Dezember 1974 erlangte die Republik Zypern mit ihrer alten Regierung ihre volle Souveränität zurück; die Türkei jedoch weigerte sich, ihre Truppen abzuziehen und das besetzte Territorium zu räumen.

Die Darstellung folgt Heinz Richter, Geschichte der Insel Zypern 1878 - 1977, Bände I - IV, Ruhpolding 2004 - 2009.
Siehe auch: http://www.bpb.de/apuz/32116/historische-hintergruende-des-zypernkonflikts
Weitere Quelle: Wikipedia, Stichwort "Zypernkonflikt"

Erste Ausstellungstafel zur Konfliktlösung in Zypern
Zypern – Tafel 1

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