Mehr zu den Wiedervereinigungs-Verhandlungen

Die türkische Invasion auf Zypern hat 1974 zur faktischen Zweiteilung der Insel geführt. Seitdem gab es zahlreiche Versuche, die Insel wieder zu vereinigen. Die am Zypernkonflikt beteiligten Seiten - griechische und türkische Zyprioten sowie Griechenland und die Türkei - konnten sich jedoch bis heute nicht auf eine Lösung verständigen.

Durch die türkische Invasion und die anschließenden Ereignisse wurden auf Zypern Tatsachen geschaffen, die eine Rückkehr zur  Verfassungsordnung von 1960 ausschließen. Somit blieb nur die von der türkischen Seite geforderte föderale Lösung. Doch die Frage, wie diese aussehen soll, entzweit beide Seiten bis heute. Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen. Im Februar 1975 endeten erste Verhandlungen, als der Führer der türkischen Zyprioten, Rauf Denktaş, den besetzten Nordteil der Insel einseitig zu einem türkischen Bundesland des noch zu schaffenden föderalen Staates erklärte.

Weitere Verhandlungen blieben zunächst ohne Ergebnis. Im Januar 1977 initiierten Denktaş und der griechisch-zypriotische Präsident und Erzbischof Makarios neue Verhandlungen. Sie führten schließlich 1979 zu den so genannten High Level Agreements, welche die Grundprinzipien für eine Wiedervereinigung der Insel fixierten. So wurde festgelegt, dass Zypern als bizonale und bikommunale Föderation wiedervereinigt und entmilitarisiert werden solle. Vieles in dem Papier basierte jedoch auf vage formulierten Kriterien, die beiden Seiten erlaubten, ihre bisherigen Positionen beizubehalten. Den türkischen Zyprioten war zum ersten Mal ein einheitliches Territorium innerhalb eines wiedervereinigten Zypern zugestanden worden, dessen Größe aber umstritten blieb. Die Vereinigung der Insel mit Griechenland oder aber ihre Teilung waren damit offiziell als Optionen vom Tisch.

Frühe 1980er Jahre: 251 Treffen ohne Ergebnis

Im November 1978 legten die USA, Kanada und Großbritannien einen 12-Punkte-Plan zur Wiedervereinigung vor. Der Vorschlag sah die Einführung eines aus zwei Kammern bestehenden Parlaments vor, dessen Oberhaus je zur Hälfte aus Abgeordneten beider Volksgruppen bestehen, während sich das Unterhaus proportional nach Bevölkerungsanteil zusammensetzen sollte. Obwohl der Plan letztlich scheiterte, überdauerte zumindest diese Idee bis heute.

Bei 251 Treffen zwischen August 1980 und April 1983 unter der Aufsicht der Vereinten Nationen wurde jedoch deutlich,  dass beide Seiten noch immer völlig unterschiedliche Vorstellungen von einer bizonalen, bikommunalen Föderation hatten. Wichtigster Streitpunkt blieb die nach wie vor unveränderte Interpretation der High Level Agreements, die bis heute anhält: Föderation vs. Konföderation, d.h. ein Staatenbund mit  griechisch-zypriotischer Dominanz vs. ein Staatenbund mit absoluter politischer Gleichheit einschließlich einer rotierenden Präsidentschaft.

1983: Ausrufung der „Türkischen Republik Nordzypern“

Der 1983 wiedergewählte griechisch-zypriotische Präsident Kyprianou setzte auf internationale Vermittlung durch die Vereinten Nationen. Sein Gegenüber Rauf Denktaş war jedoch entschlossen, das Ziel einer Unabhängigkeitserklärung des Nordens zu verwirklichen. Am 17. Juni 1983 verlangte das türkisch-zypriotische Parlament ein Referendum über die Unabhängigkeit des Nordens. In dieser gespannten Atmosphäre stellte UN-Generalsekretär Perez de Cuellar zwei Lösungsmodelle zur Diskussion: ein eher pro-griechisches und ein eher pro-türkisches. Offenkundiges Ziel war ein Kompromiss, bei dem die türkischen Zyprioten Territorium für politische Rechte tauschen sollten. Während Kyprianou die Vorschläge als Verhandlungsbasis akzeptierte, vermied Denktaş eine klare Antwort und nutzte stattdessen den Regierungswechsel in der Türkei, um am 15. November 1983 die Türkische Republik Nordzypern (TRNZ) auszurufen. Ankara erkannte die TRNZ umgehend an, während der UN-Sicherheitsrat die Unabhängigkeitserklärung für ungültig erklärte und alle Staaten aufforderte, keinen anderen zypriotischen Staat als die Republik Zypern anzuerkennen.

Im Januar 1985 trafen sich Denktaş und Kyprianou zum ersten Mal seit 1977 zu direkten Gesprächen. Während das Treffen als abschließende Verhandlungsrunde gedacht war, das mit der Unterschrift unter ein Abkommen enden sollte, bestand Kyprianou auf weiteren Verhandlungen, sodass die Gespräche scheiterten. Denktaş, der darauf spekuliert hatte, dass sein Pendant nicht zu einem Deal bereit war, erklärte alle türkischen Konzessionen für null und nichtig. Wieder lagen die Gespräche einige Zeit lang auf Eis. Als im August 1988 erneut Verhandlungen aufgenommen wurden, stand mit dem neu gewählten George Vassiliou erstmals ein moderater Politiker an der Spitze der griechischen Zyprioten. Doch auf türkisch-zypriotischer Seite torpedierte der Hardliner Rauf  Denktaş weiter alle Bemühungen, zu einem Konsens zu kommen. Im Januar 1990 scheiterten Verhandlungen in New York im Beisein der UN an Denktaş' Forderung, dass die griechischen Zyprioten die Existenz zweier gleichberechtigter Völker auf Zypern anerkennen sollten, von denen beide ein separates Recht auf Selbstbestimmung (und damit auch auf Abspaltung) besäßen.

Die 1990er Jahre: Zypern verhandelt über EU-Beitritt

Im Juli 1990 verkomplizierte sich die Situation weiter, da die Republik Zypern einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft stellte. Empört brach Denktaş daraufhin die Gespräche ab. Auch die Vorschläge des neu gewählten UN-Generalsekretärs Boutros Boutros-Ghali führten 1992 zu keiner Lösung. 1993 wurde mit Glafkos Kliridis ein neuer griechisch-zypriotischer Präsident gewählt,  der wie sein Vorgänger ein moderater Politiker war und ernsthaft versuchte, die Insel auf der Basis der High Level Agreements wiederzuvereinigen. Dies kann man von Rauf Denktaş nicht behaupten: Mitte der 1990er Jahre erklärte er, dass er eine föderale Lösung nicht länger akzeptieren könne und bestand von nun an darauf, dass Zypern aus einer losen Konföderation zweier souveräner Staaten bestehen sollte.

1998 begannen die Beitrittsverhandlungen der Republik Zypern mit der Europäischen Union. Zunächst gingen Denktaş wie auch die Türkei (die bei allen Verhandlungen seit 1974 ohnehin immer eine entscheidende Rolle spielte und bis heute das letzte Wort hat) davon aus, dass es die EU nicht zu einer Konfrontation mit Ankara über Zypern kommen lassen werde und der Beitrittsantrag aussichtslos sei. Um sicher zu gehen, drohte die Türkei offen damit, den Norden zu annektieren, sollte die Republik Zypern Vollmitglied der EU werden.

Als sich abzeichnete, dass die EU die Republik Zypern auch ohne eine Lösung des Zypernkonfliks aufnehmen würde, begannen im Januar 2002 erneute Verhandlungen unter Federführung der UN. Dabei konnten erst Fortschritte erzielt werden, als in der Türkei im November eine neue Regierung an die Macht kam. Die AKP-Regierung rückte von der langjährigen türkischen Position ab, nach der die 1974 geschaffenen Fakten die Lösung des Zypernproblems darstellten, um die eigenen EU-Ambitionen auf eine realistische Grundlage zu stellen. Mit einer EU-Perspektive vor Augen und durch jahrelange ökonomische und politische Isolation frustriert, begannen nun auch die türkischen Zyprioten öffentlich Denktaş die Gefolgschaft zu verweigern. Schließlich wurde er durch den gemäßigten Mehmet Ali Talat ersetzt. Damit dominierten auf türkischer und auf türkisch-zypriotischer Seite erstmals moderatere Politiker. Die griechischen Zyprioten wählten hingegen 2003 mit Tassos Papadopoulos einen Hardliner zum Präsidenten.

2004: Referendum scheitert an griechisch-zypriotischem „Nein“

Es dauerte bis Anfang 2004, ehe die Endfassung des nach dem Generalsekretär der Vereinten Nationen benannten Annan-Plans vorlag. Doch in zwei gleichzeitig stattfindenden Volksabstimmungen wurde der Plan von den griechischen Zyprioten abgelehnt, während die türkischen Zyprioten für den Lösungsvorschlag stimmten. Eine deutliche Mehrheit im Süden betrachtete das vorgeschlagene Staatswesen als unregierbar und pro-türkisch. Viele griechische Zyprioten vertrauten darauf, dass ihre nur wenige Tage nach den Referenden erreichte EU-Mitgliedschaft zu einem besseren Abkommen führen werde. Die internationale Staatengemeinschaft hingegen war sich in ihrer Kritik am griechisch-zypriotischen Votum und der negativen Haltung ihres Präsidenten weitgehend einig.

Bis zum Frühjahr 2008 gab es kaum Fortschritte in der Zypernfrage. Erst mit der Wahl des Linken Dimitris Chistofias zum griechisch-zypriotischen Präsidenten im Februar 2008 änderte sich das Klima. Direkte Verhandlungen zwischen den beiden Volksgruppen begannen, die erstmals in der modernen Geschichte Zyperns von zwei als moderat geltenden Politikern geführt wurden. Gleichzeitig wurde bekanntgegeben, dass die Barrikade auf der Ledrastraße in der Altstadt Nikosias beseitigt und dort ein neuer Übergang geschaffen werden soll. Die Eröffnung des Übergangs erfolgte am 3. April 2008. Die Verhandlungen wurden im Januar 2010 in mehreren Gesprächsrunden intensiviert, ohne letztlich erfolgreich zu sein. Die größte Meinungsverschiedenheit besteht bezüglich der Staatsform: Die Republik Zypern wünscht sich einen stärkeren Bundesstaat, während sich die türkischen Zyprer einen Bund von zwei fast unabhängigen Staaten wünschen.

Wiederaufnahme von Gesprächen 2014

Anfang 2014 begannen erneute Gespräche über eine Wiedervereinigung. Am 11. Februar 2014 stellten der griechisch-zyprische Präsident Nikos Anastasiadis und sein türkisch-zyprischer Amtskollege Derviş Eroğlu in einer gemeinsamen Erklärung die Umrisse einer Verfassung vor, wonach beide Teilgebiete eine weitgehende innere Autonomie erhalten sollen. Nach Abschluss der Gespräche sollen beide Volksgruppen in getrennten Referenden um die Zustimmung gefragt werden. Sowohl die EU als auch die Türkei begrüßten die Erklärung. Im März 2014 teilte der Außenminister des Nordens, Özdil Namimit, mit, man habe in Fragen der Machtteilung zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen sowie bei Fragen der Wirtschaft und der EU-Angelegenheiten bereits weitgehende Übereinstimmung erzielt. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Verhandlungen bis zum Jahre 2015 abgeschlossen werden können.

- Hubert Faustmann: Die Verhandlungen zur Wiedervereinigung Zyperns: 1974 - 2008, in: Aus Politik und Zeitgeschehen, 12/2009 (Bundeszentrale für politische Bildung).
Siehe auch: http://www.bpb.de/apuz/32118/die-verhandlungen-zur-wiedervereinigung-zyperns-1974-2008
Weitere Quelle: Wikipedia, Stichwort "Zypernkonflikt"

Erste Ausstellungstafel zur Konfliktlösung in Zypern
Zypern – Tafel 1

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